Rolf ist von uns beiden der Maler, der sich von den Spuren des Impressionisten Claude Monet inspirieren ließ. Ich bin begeisterter Fotograf, ein Freund der Geschichte und mich reizte die Entwicklung der Normandie von den Wikingern bis zur Landung der Alliierten im Zweiten Weltkrieg.
Colleville-sur-Mer und Omaha Beach
Für unsere Reise wählten wir einen kleinen knapp 200 Einwohner zählenden Küstenort als zentralen Ausgangspunkt. Wir hatten uns für Colleville-sur-Mer entschieden, denn dieser Ort mit einem vikingisch-normannischen Ursprungsnamen im Departement Calvados liegt an der sogenannten Perlmuttküste und wurde weltweit durch „Omaha Beach“ bekannt, einem blutgetränkten Landungsstrand während der Invasion der Alliierten im Jahr 1944 – am sogenannten „D-Day“. Ganz in der Nähe befindet sich ein großer amerikanischer Soldatenfriedhof, bekannt aus dem Spielberg-Film „Der Soldat James Ryan“ und nur wenige Kilometer weiter in Bayeux ist auf dem berühmten Bildteppich die Geschichte der Eroberung Englands durch Wilhelm den Eroberer zu sehen.
Grabsteine aus schneeweisen Marmor
Die friedliche Ruhe war es sicherlich, die uns recht schnell zum amerikanischen Friedhof in der Nähe unserer Appartmentanlage führte. Am späten Nachmittag waren nur noch wenige Besucher da und wir ließen die imposante Anlage mit fast 9.400 Grabsteinen aus schneeweisen Marmor auf uns wirken. Wir sprachen nur wenig, jeder hatte seine eigenen Gedanken beim Gang über den 70 Hektar großen Friedhof .
In dieser Region gibt es zahlreiche Soldatenfriedhöfe aller am „D-Day“ beteiligten Nationen, doch der amerikanische Friedhof bei Colleville-sur-Mer vermittelt ein Bild von den Ereignissen des 6. Juni 1944, als zu Beginn der Operation „Overlord“ viele Soldaten an diesem unendlich lang erscheinenden Strand ihr Leben verloren. In Reih und Glied stehen die Marmorkreuze vor dem Horizont des nahen Meeres mit den Namen der Gefallenen, die hier nur wenige Meter vom Ort ihres Todes bestattet wurden.
Jedes Grab eine Ermahnung an den Frieden
Einen starken Eindruck hinterließ auf uns auch der Besuch des deutschen Friedhofs in La Cambe. Über 21.000 deutsche Soldaten haben hier ihre letzte Ruhestätte gefunden. Wir nahmen uns Zeit, den größten deutschen Soldatenfriedhof mit seinem in 49 Blocks aufgeteilten Gräberfeld anzusehen. Beim Gang über den 1954 angelegten Friedhof streiften unsere Blicke immer wieder die Namen der Gefallenen – letztlich ist jedes Grab eine Ermahnung an den Frieden.
Sandstrände und wunderbare Sonnenuntergänge
Auf der Terrasse unserer Ferienwohnung in Colleville-sur-Mer wurde uns ein Naturschauspiel geboten, das sich an jedem Abend wiederholen sollte – die wunderbaren Sonnenuntergänge. Der „Omaha Beach“ ist einer der großartigsten Sandstrände der normannischen Küste, an denen die höchsten Gezeitenunterschiede der Welt herrschen.
Da der feine Sandstrand der normannischen Küste häufig perlmuttfarben in der Sonne glitzert, wird diese beliebte Region auch „Côte de Nacre“ Perlmuttküste genannt. Die Schönheit der Küste liegt in ihrer stellenweise fast unberührt wirkenden Natürlichkeit. Felsige Abschnitte und Sandstrände wechseln sich mit großen Badezonen ab.
Der längste Tag und die Tapferen
Am Sandstrand von Omaha Beach fällt uns bei Saint-Laurent-sur-Mer das Monument „Les Braves“ auf, das von einer Künstlerin zu Ehren der „Tapferen“ errichtet wurde. Von hier ist es nicht mehr weit bis zum „La Pointe du Hoc“. Diese im Jahr 1944 stark befestigte Felsklippe ist durch den Film „Der längste Tag“ weltberühmt geworden und gilt als Sinnbild für den Wagemut und die Tapferkeit der amerikanischen Soldaten. Am Klippenrand steht ein Denkmal zu Ehren der Gefallenen und das Gelände auf diesem hart umkämpften Teil der normannischen Erde wurde bis heute nicht verändert. Die verwüstete und mit Bombentrichtern übersäte Bunkerstellung ist heute ein militärisches Heiligtum der USA.
Bayeux und Wilhelm der Eroberer
Der „Teppich von Bayeux“ stellt die Eroberung Englands durch den Normannenherzog Wilhelm den Eroberer auf einem 68 Meter langen Tuchstreifen in 58 Einzelszenen dar. Diesen Teppich aus dem 11. Jahrhundert, der zum Weltdokumentenerbe der UNESCO gehört, besichtigten wir im „Centre Guillaume le Conquérant und nahmen uns danach viel Zeit, um uns Bayeux anzusehen. Die Hauptstadt der Landschaft Bessin am Fluss Aure ist sieben Kilometer von der Küste entfernt und gefällt durch seine fast komplett erhalten gebliebene Stadtstruktur. Die großartige Kathedrale ist eine der bedeutendsten Baudenkmäler der Normandie.
Wie in jedem Ort in der Nähe der Landungsstrände ist in Bayeux die Erinnerung an den „D-Day“ allgegenwärtig. Das „Museum der Schlacht in der Normandie“ stellt das Geschehen thematisch mit der Ausstellung von vielen Kriegsgeräten dar.
Gespenstische Betonbrocken in Arromanches-les-Bains
Nach Besichtigung der romanischen Kirche „Notre-Dame de l“Assomption“ mit einer großen historischen Bildtafel, die an den „D-Day“ erinnert, machten wir von Colleville-sur-Mer aus einen Ausflug in östliche Richtung. Vorbei an Port-en-Bessin und einemn Abstecher zur ehemaligen deutschen Geschützstellung in Longues-sur-Mer fuhren wir nach Arromanches-les-Bains. Auch in dieser kleinen Küstengemeinde ist die Erinnerung an den D-Day allgegenwärtig und die Überreste eines ehemaligen künstlichen Hafens der Alliierten ist der touristische Hauptanziehungspunkt. Außer den gespenstischen Betonbrocken am Strand empfiehlt sich Arromanches-les-Bains als angenehmer Badeort. Entlang der Landungsstrände „Gold Beach“ und „Juno Beach“ und Überquerung der „Pegasus-Brücke“, die im Verlauf des „D-Days“ eine wichtige Rolle spielte, endete der geschichtliche Teil unserer Reise
Charmante Badeorte an der Blumenküste
Bei strahlendem Sonnenschein genossen wir den Badeort Houlgate mit seinen schönen Villen aus der Belle Epoque und besuchten danach die in unmittelbarer Nachbarschaft liegenden Seebäder Deauville und Trouville. Wir waren an der „Blumenküste“ mit ihren charmanten Badeorten angekommen, die sich auch durch eine Vielzahl von Villen vom Ende den 19. Jahrhunderts auszeichnet.
200 Kilometer von Paris entfernt fließt die Seine in den Ärmelkanal und an deren Mündung begeisterte uns die Hafenstadt Honfleur. Im 19. Jahrhundert entwickelte sich Honfleur zum Zentrum künstlerischer Aktivitäten und inspirierte viele Maler, darunter Claude Monet, den wir im Verlauf noch besser kennen lernen sollten. Neben dem alten Hafenbecken besticht Honfleur durch seine pittoresken bis zu sechs Stockwerke hohen Häusern und gilt dadurch als einer der reizvollsten Orte in der Normandie.
Steile Felsklippen und spektakuläre Felsformationen
Von Honfleur in Richtung Le Havre über die Schrägseilbrücke „Pont de Normandie“ waren es nur noch knapp 40 Kilometer bis zum Höhepunkt unserer Reise, dem Seebad Etretat.
Es war der Schriftsteller Alphonse Karr, der einen erfolgreichen Roman über Etretat schrieb und so viel zu dessen Popularität beitrug. Auch der Maler Claude Monet hatte durch seine Gemälde großen Anteil daran, dass die Kreideklippen berühmt wurden. Wir ließen uns von der Szenerie rund um Etretat faszinieren, bestiegen die Klippen und immer wieder taten sich vor uns neue Perspektiven auf – Bilder die für uns unvergesslich blieben, wie der Satz von Alphonse Karr: „Wenn ich einem Freund zum ersten Mal das Meer zeigen wollte, dann würde ich mir dafür Etretat aussuchen“ – wie wahr!
Wo sich Land und Meer vereinen
Dort wo sich Land und Meer in einer grandiosen Szenerie vereinen, wird einem schnell klar, dass zu allen Zeiten die Maler ihre Staffeleien hier aufstellten. Der „La Porte d´Aval“ ist ein gewaltiger Kieselsteinbogen, der die Künstler ebenso inspirierte, wie der noch gewaltigere „Manneporte“ oder die kreisrunde Bucht „Le Petit Port“ und der „La Falaise d`Amont“ am anderen Ende des Strandes.
Die Fantasie hat hier ihren freien Lauf beim Blick auf die gewaltigen Klippenformationen, die Guy de Maupassant zu der Aussage hinreißen ließen, dass „ein Schiff unter vollen Segeln durch den Bogen der Manneporte gleiten könnte.“ Die sogenannte „Alabasterküste“ erstreckt sich auf 140 Kilometer zwischen den Mündungen der Seine und der Sommé und läßt sich sehr gut auf Wanderwegen entdecken.
Nie wieder fände ich einen so schönen Ort
Eng verbunden mit der Normandie sind das Leben und die Werke des Künstlers Claude Monet. Wir nutzten die Möglichkeit bei unserer Rückfahrt nach Deutschland die Autobahn zu verlassen und den kleinen normannischen Ort Giverny an der Seine zu besuchen. Für viele Besucher aus aller Welt ist dort Monets Haus und sein berühmter Seerosenteich ein begehrtes Ziel. Bis zu seinem Tod im Jahr 1926 lebte Claude Monet dort, wo sich seine Liebe zur Natur und den Gärten zu einem zentralen Thema seiner Kunst entwickelte. Der Teich und die Seerosen wurden Ende des 19. Jahrhunderts eines seiner beliebtesten Motive. Für uns war es weniger die Gartenanlage „Clos Normand“ sondern vielmehr der Seerosenteich, der uns als eine Oase der Stille faszinierte. Daran änderten auch die vielen Besucher nichts, die sich um die berühmte japanische Brücke scharten, danach aber zwischen den Trauerweiden und dem dichten Bambuswald aus unserem Blickfeld verschwanden. Wir können es Claude Monet nach empfinden wenn er über Giverny schrieb: „….nie wieder fände ich einen so schönen Ort.“
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