Von Erinnerungen, deutschen Helden und mythischen Orten

2023

Von Erinnerungen, deutschen Helden und mythischen Orten

Am 31. Oktober 1952 war es zur traurigen Gewissheit geworden: „Ihr Bruder Erich Wabnitz, geboren am 15. Februar 1925 in Wilkau, Kreis Namslau, ist am 1. April 1945 am Urenberg in Schwaney gefallen.“ Die Nachricht kam vom Standesamt Berlin, von wo auch mitgeteilt wurde, dass der Bruder meines Vaters Rudolf, mein Onkel Erich Wabnitz, auf dem Waldfriedhof in Paderborn-Neuhaus begraben ist. Vorausgegangen war ein Suchantrag meines Vaters bei der Berliner Abwicklungsstelle zur Benachrichtigung der nächsten Angehörigen von Gefallenen der ehemaligen deutschen Wehrmacht.

Erinnerung an einen Onkel, der nicht vergessen ist

Über 80 Jahre nach Eingang dieser Nachricht stehe ich mit Erika vor dem Grab meines Onkels Erich Wabnitz, den ich nie persönlich, sondern nur aus den Erzählungen meines Vaters kennenlernen durfte. In einigen Kriegstagebüchern konnte ich nachlesen, dass der Todestag meines Onkels am 1. April 1945 der letzte Tag in der „Schlacht um Paderborn“ war. Er gehörte an diesem Ostersonntag zu den Gefallenen der letzten großen Panzerschlacht des Zweiten Weltkrieges.

Es stimmte mich nachdenklich und so manche Träne konnte ich mir nicht verkneifen. Wer war er gewesen, dieser 20-jährige Panzersoldat? Wie viele seiner gleichaltrigen Kameraden hatte er vielleicht auch geglaubt, die 3. US-Panzerdivision auf ihrem Vormarsch in Richtung Ruhrgebiet noch aufhalten zu können. Die mit ihm starben, sind ebenfalls auf dem Gräberfeld des Friedhofs bestattet und auf vielen Grabsteinen ist „unbekannt“ zu lesen. Mit einem alten Brauch „Stein auf Stein“ hinterließen wir mit einem persönlichen Stein die Erinnerung an einen Onkel, der nicht vergessen ist.

Der auf Initiative eines Privatmannes im Jahr 1916 entstandene Friedhof erinnert nicht nur an die Gefallenen des Zweiten Weltkrieges. Im Zentrum des Friedhofs ist auch ein Ehrenhain für die Gefallenen des ersten Weltkrieges angelegt. Zahlreiche Gräber erinnern auch an Gefallene des Krieges 1870/71 und es wurde an die Paderborner Toten der napoleonischen Kriege von 1812/13 gedacht.

 

„Deutschlands Stonehenge“ – die Externsteine
Nur eine halbe Autostunde von Paderborn-Neuhaus brauchten wir zu unserem nächsten Ziel, den Externsteinen bei Horn-Bad Meinberg. Das Waldhotel Bärenstein ist Ausgangspunkt unseres Spaziergangs am späten Nachmittag zu der markanten, rund 40 Meter hoch aufragenden Felsformation. Es ist eines der bekanntesten Natur- und Kulturdenkmäler Deutschlands, um die sich auch eine Reihe volkstümlicher Legenden gebildet haben. Ob es ein keltisches oder germanisches Heiligtum, eventuell auch eine Sternwarte war, ist bis heute umstritten. Eine Besonderheit von europäischem Rang ist das Relief der Kreuzabnahme Christi aus dem 12. Jahrhundert, das in seiner Art einmalig ist. So liegt auch die Vermutung nahe, dass die Externsteine von einem heidnischen Heiligtum in eine christliche Stätte umgewandelt wurden. Die dreizehn zerfurchten Sandsteinfelsen werden auch als „Deutschlands Stonehenge“ bezeichnet. Es wunderte uns nicht, dass es viele Esoteriker gibt, die besonders zu Sonnenwendfeiern zu diesem Ort pilgern. Für uns ist es ein wunderschönes Fotomotiv, vor allem mit dem davor angelegten Wiembecketeich. Ohne Zweifel wirken die Externsteine märchenhaft an, doch es wundert schon etwas, dass von 1912 bis 1936 eine Straßenbahn durch diese Felsformation gefahren ist. Als die Abendsonne die Steinformation golden erstrahlen lässt, wird uns bewusst, dass wir hier an einem besonderen Ort angekommen sind.
Seit fast einhundert Jahren steht das Umfeld der Externsteine unter Naturschutz. Wir nutzten an einem weiteren Tag die Gelegenheit zum Wandern auf der Bärenstein-, Schliepstein- oder Blaubeerroute, die als Qualitätswege des Deutschen Wanderverbandes gelten.

 

Mit gezogenem Schwert und erhobenem Haupt

Nur eine Viertelstunde mit dem Auto brauchten wir, um von den Externsteinen zu einem der bekanntesten deutschen Denkmäler zu kommen. Das Hermannsdenkmal auf der Grotenburg bei Detmold erinnert an die Schlacht im Teutoburger Wald. Mit gezogenem Schwert und erhobenem Haupt blickt der Cheruskerfürst Arminius (genannt: Hermann) auf die weite Landschaft. Er war es, der im Jahre 9 nach Christus die vereinigten germanischen Stämme zum Sieg über die Römer in der sogenannten „Varusschlacht“ führte. Es war das Engagement von Ernst von Bandel, der im Jahr 1837 begann, seine Idee von einem nationalen Symbol zu verwirklichen. Schließlich wurde die mit knapp 54 Meter höchste Statue Deutschlands im Jahr 1875 von Kaiser Wilhelm I. eingeweiht. Heute ist es das Wahrzeichen der Region Lippe.

Das ländliche Leben der Vergangenheit

Wie bei den Externsteinen verzichteten wir auf das Besteigen des Denkmals und widmeten unser Interesse an diesem Tag noch dem fünf Kilometer entfernten LWL-Freilichtmuseum in Detmold. Der Besuch des mit 90 Hektar und 120 vollständig eingerichteten Gebäuden größten deutschen Freilichtmuseums wurde der dritte Höhepunkt unserer Deutschlandreise im Oktober 2023.

Das Freilichtmuseum besticht mit seinen historischen Gebäuden, in denen auch viel Handwerkskunst gezeigt wird. Das ländliche Leben der Vergangenheit wird dort wachgehalten. Wir nehmen uns Zeit zu einem Plausch mit dem Schmied, der gerade an einem Hufeisen arbeitet. „Unser Handwerk stirbt aus“, erklärte der Schmied und verwies darauf, dass er der einzige Gelernte in der Schmiedekunst im Freilichtmuseum ist und er dadurch viel Arbeit hat.

Aber auch die Gespräche mit den ehrenamtlichen Mitarbeitern, die in den Gebäuden gerne auf Fragen antworteten, zeigten uns, dass dort viele Menschen sich am Erhalt der Alltagskultur im Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) engagieren. Nach einem ausgiebigen Spaziergang vom Osnabrücker Hof, über den Münsterländer Gräftenhof bis hin zum Paderborner Dorf und der Einkehr im „Weißen Ross“ endete unser Besuch im Lippe-Land.