1971 und 1972 – Fußballanhänger und Leistungssportler
Die ersten Jahre des unter den Namen „FC Hilde“ gegründeten Stammtisches waren auch verbunden mit den sportlichen Erfolgen der Groß-Gerauer VFR-Fußballer. Mit einer in den grünweißen Vereinsfarben gestalteten Fahne feuerten die Stammtischmitglieder das Team von Trainer Heinz Wassermann an, dass innerhalb weniger Jahre den Aufstieg bis in die Hessenliga geschafft hatte.
Selbst aktiv spielte vom Stammtisch nur Dieter „Miksche“, während die übrigen „Hilde“-Fußballer sich nach wenigen Jahren in den Nachwuchsmannschaften des VFR in Richtung anderer Sportarten verabschiedet hatten. So wurde am Stammtisch immer wieder leidenschaftlich diskutiert, wenn Rolf, Alois und Dieter von ihren Erfolgen als Basketballer beim TV Groß-Gerau berichteten oder die Siege von Werner, Fritz und Gerhard beim Sportschießen in Frage gestellt wurden („Schießen ist doch kein Leistungssport“).
Das aber auch der Bundesliga- und internationale Fußball ein großes Thema an den Stammtischabenden war, daran erinnert sich Rolf aus Worfelden in seiner Geschichte „Zum Ersten, zum Zweiten und zum Dritten“, als er darüber berichtet, wie sein erster Kontakt zum damaligen FC Hilde entstand.
Bierdeckel sind nicht unter dem Glas, sondern obendrauf
„Als ich am Freitagabend in der Festung Metz ankam, begrüßte mich Werner ganz freundlich mit einem Bier und stellte seine restlichen Freunde vor. Diese sollte ich erst im Laufe der Jahre näher kennenlernen. Am runden Tisch saßen Werner, Gerhard, Dieter, Karlheinz, Volker, Georg und ich. Nach einer kurzen Vorstellung versuchte ich mir die verschiedenen Namen und Gesichter zu merken, wobei mir jeder irgendwie ein bisschen komisch erschien. Aber andere Ortschaften, andere Sitten. So hatte jeder seinen Bierdeckel nicht unter dem Glas, sondern obendrauf. Den Sinn sollte ich erst im Laufe des Abends erfahren. Auf jeden Fall war es ein sehr unterhaltsamer und aufschlussreicher Abend. Die verschiedenen Meinungen und Argumente, die bevorstehenden Wahlen betreffend, waren sehr interessant. So diskutierte Karlheinz mit Dieter gegen Volker, Gerhard gegen Werner und Georg. Am Schönsten war es aber, wenn Dieter mit allen diskutierte, da zum Schluss weder ein vernünftiges Gespräch noch Unterhaltung herauskam, sondern nur die Fragen: Wer hat beim Dortmunder Spiel anno Tobak das dritte Tor geschossen und mit welcher Hand oder so und was sagte Reinhold Wosab in der 89. Minute des Europapokalendspiels zu seinem Torwart Hans Tilkowski?“
Der Worfeller Rolf stellte fest, dass im Laufe des Abends die Gespräche mit Gesten immer besser ausgeschmückt wurden: „So ging Dieter Karlheinz an die Gurgel, bloß weil dieser eine andere Meinung hatte. Oder Volker fragte mich, ob ich nicht doch ein Fanta wollte und schüttet mir sein Fanta in mein Bier (deshalb der Deckel auf dem Glas) oder probierte dieses beim Kameraden Gerhard, wobei dann das eine oder andere Getränk in den Aschenbecher wanderte, nur um die Zigarettenasche auszumachen.“
Für Rolf (der Worfeller) war der Höhepunkt an seinem ersten Stammtischabend erreicht, als keiner mehr den anderen verstehen konnte oder wollte, weil zwei versuchten sich über den ganzen Tisch – wie die Marktschreier – über die Entstehung des Abends und über den Sinn und Zweck der Wahlen im Allgemeinen zuzuwerfen und ja irgendeiner Recht behalten sollte. „Nichts desto trotz, war es ein sehr feuchtfröhlicher Abend, an dessen Ende ich Werners Aussage: Es wird Dir bestimmt gefallen“ zustimmen musste: „So einen Chaotenhaufen kannst Du nicht allein lassen.“
Berufsausbildung, Fußballfans und Konzertbesuche
Im Jahr 1972 hatte die wichtige Phase der Berufsausbildungen für die meisten Stammtischfreunde begonnen. Neben den bevorstehenden Abschlüssen bei Banken und in der Chemie blieb die Begeisterung als Fußballanhänger und Konzertbesuchen erhalten. Die jetzt 18-Jährigen hatten fast alle erfolgreich auch die Führerscheinprüfung geschafft und die ersten Motorisierungen mit gebrauchten Opel Kadett´s, Renault R4, VW Käfer oder NSU Prinz waren erfolgt. Damit waren auch die Grundlagen geschaffen, um das weibliche Geschlecht zu beeindrucken.
Die Fußballanhänger unter den Stammtischfreunden begleiteten das Team des VfR Groß-Gerau neben den Heimspielen zeitweise auch zu Auswärtspartien und die grünweiße Fahne war ein ständiger Begleiter.
Einige Freunde waren auch regelmäßige Gäste im Frankfurter Waldstadion, das in diesen Jahren für die bevorstehende Weltmeisterschaft 1974 vollständig umgebaut wurde. Damals kamen noch zwischen 10.000 und 20.000 Zuschauer, um die Spiele der Frankfurter Eintracht zu sehen.
Während die Eintracht mit ihrem Trainer Erich Ribbeck Anfang der 1970er Jahre noch Bundesligamittelmaß war, erfreuten sich die Freunde des Stammtisch „FC Hilde“ an den Leistungen der Groß-Gerauer VfR-Fußballer, die im Jahr 1971 als Aufsteiger in der Hessenliga auf Anhieb den zweiten Platz belegten. Selbst trainierten die Stammtischler, meist am Sonntagmorgen, auf einem Fußballplatz in der Groß-Gerauer Fasanerie. Schließlich nannte sich das Team „FC Hilde“, dessen erstes Spiel aber noch einige Jahre dauern sollte.
Vom 26. August bis 11. September 1972 fanden in München die Olympischen Spiele statt und drei Stammtischmitglieder waren in der ersten Woche zu Gast, um Entscheidungen beim Fußball, Volleyball, Basketball oder Boxen zu verfolgen. Dem Stammtischtrio blieb es erspart, das am 5. September stattgefundene Olympia-Attentat vor Ort mitzuerleben. So waren es für die drei Groß-Gerauer fröhliche Spiele, deren tragische Ereignisse dann nur im Fernsehen verfolgt wurden.
Im kulturellen Bereich belebten Konzertbesuche das Leben der Stammtischfreunde, die Auftritte von Insterburg & Co., Ekseption oder der Les Humphries Singers ebenso besuchten, wie das zweite Sommer Rock Festival, das am 21. und 22. Juli 1973 im Frankfurter Radstadion stattfand und bei dem die Auftritte von Chuck Berry oder Black Sabbath zu den Höhepunkten gehörten.
Ebenso beliebt waren die Partys, die meist in ausgebauten Kellern der elterlichen Wohnhäuser stattfanden. Begonnen hatte es mit dem „Room to move“ bei Rolf und dem „Second Home“ bei Karl-Heinz. Später waren die Stammtischfreunde auch „bei Elvira“, „bei Susi“ und „bei Doris“ zu Gast. Einige Feiern wurden an den Niederwaldsee verlagert und es gab die ersten gelungenen Versuche am Grill. Die sorgten wohl auch bei den Mädchen für Eindruck, denn an den Wochenenden ergänzten gemeinsame PKW-Ausflüge das Stammtischgeschehen.
Weite Fahrten mit den in die Jahre gekommenen Fahrzeugen wurden im Jahr 1972 noch vermieden, so dass die erste längere Reise erst ein Jahr später in Richtung Jugoslawien gestartet wurde.
Die Stammtischgeschichte wird fortgesetzt!